Bonolino und der Große Hund
Katzen sind schon etwas Sonderbares. Man sollte nicht glauben, was die kleinen Samtpfoten alles erleben und anstellen.
Kürzlich tapste MauMau zu meinem Freiluftbüro, rollte sich vor meinem Schreibtisch zusammen und maunzte leise vor sich hin. Katzenjammer? Da ich mich bei dieser akustischen Hintergrundgestaltung nicht recht konzentrieren konnte, fragte ich sie, ob sie irgendetwas auf dem Herzen habe. Spitze schwarze Ohren und ein paar Schnurrhaare erschienen zuckend hinter meiner Topfpflanze.
„Duuuuuu? Bonoliiinooo?“ Kurze Pause. „Glaubst du an Außerirdische oder Übernatürliches?“
Uiii! Nach kurzem In-mich-Gehen meinte ich: „Solange es keine gegenteiligen Beweise gibt, ist theoretisch alles möglich, MauMau. Warum fragst du?“
„Ich trau' mich das eigentlich gar nicht zu erzählen. Gestern Abend hat sich mein Frauchen vor dem Zubettgehen einen Becher Milch heiß gemacht. Dabei sind ein paar Tropfen auf den Boden gefallen und ich bin in der Küche geblieben, um sie aufzuschlecken. Auf einmal schepperte eine Stimme aus der Mikrowelle! Sie sagte, dass sie das Sternbild Katze sei und um Hilfe für das Sternbild Großer Hund bitten möchte. Der hätte sich nämlich einen gewaltigen Bandwurm eingefangen!“
Interstellare Hundebandwürmer? Kommunikation über Mikrowellen? Unfassbar! Hatte MauMau vielleicht zu lange an der Katzenminze geschnuppert?
„Ehrlich! Ich flunkere nicht“, fügte MauMau hinzu. Ich bemühte mich ernst zu bleiben und kramte räuspernd aus einer Schublade eine Sternenkarte hervor. Gemeinsam breiteten wir die Karte auf der Wiese aus.
„Hmmm. Es gibt gar kein Sternbild Katze“, stellte ich fest.
„Doch“, antwortete MauMau, „ich hab’ schon davon gehört. Es ist nur nicht offiziell anerkannt. Sie ist zwar kein IAU-, dafür aber ein echtes MIAU-Sternbild. Schau mal hier – die Katze ist Teil des Sternbildes Wasserschlange. Weiter südlich befindet sich das Sternbild Luftpumpe und das daneben ist das Sternbild Kompass.“
Fürwahr! Ich staunte über das Universum im Allgemeinen sowie dessen tierische und technische Einzelteile im Besonderen. Das Sternbild Großer Hund fand sich auch auf der Karte. Es besteht aus mehreren Sternen, die viele Lichtjahre von der Erde entfernt sind – und Sirius ist der hellste von ihnen.
Ein einfaches „Auffi, Galápagos!“ war für eine solche Sternenfahrt freilich nicht ausreichend. Da musste ich stärkere Geschütze auffahren – ein Wurmloch musste her! Mit Hilfe eines Wurmlochs kann man nämlich stracks durch das ganze Weltall reisen. Nach mühsamer Suche fanden wir endlich ein geeignetes Exemplar in der Wiese und Türülü pickte es für mich heraus. Amseln können so etwas! Als Spezialist in Sachen Würmer wollte Türülü natürlich mitkommen. Mein Planschbecken wurde mit allem Pipapo zu einem gelben Raumschiff umgebaut und dann ging es los. Unterwegs verirrten wir uns kurz im Orionnebel, aber schließlich kamen wir doch noch an.
„Hallo Wauwau, ich bin MauMau!“, begrüßte die kleine Katze den Großen Hund. „Und die beiden hier sind Bonolino und Türülü. Wir haben erfahren, dass du krank bist.“
„Ich bin nicht krank. Ich strahle förmlich vor Gesundheit“, antwortete der Stern Sirius, der die Schnauze des Großen Hundes bildete und deshalb für diesen das Sprechen übernahm. „Wie schaut's bei euch aus, Leute – seid ihr krank?“, rief er den anderen Hundssternen zu.
„Nööö, alles paletti“, morsten sie zur Antwort.
„Na also.“ Sirius blinzelte zufrieden. „Der Hund ist gesund.“
„Aber das dort hinten ist doch ein Bandwu… Ein Band, meine ich. Das kann doch nicht gesund sein!“, zwitscherte Türülü. „So etwas Riesiges habe ich ja noch nie gesehen!“
„Ach so. Das ist kein Band, sondern ein Fluss. Genau genommen handelt es sich dabei um das Sternbild Fluss Eridanus. Tut niemandem irgendwas. Ist praktisch keim- und grätenfrei. Plätschert geräuschlos durch Zeit und Raum. Und läuft nie über“, antwortete Sirius unbeeindruckt. „Wer hat euch eigentlich vorbeigeschickt?“
Ein schnurrendes Kichern erklang aus dem Äther.
„Aha, alles klar. Die Katze will mal wieder zanken“, knurrte der Große Hund.
„Gar nicht wahr“, fauchte das Sternbild Katze, „ich wollte dich nur ein bisschen außer Gefecht setzen, damit das Langohr mal zur Ruhe kommt. Ständig wird er von dir über den Himmel gescheucht. Wir Kleintiere müssen zusammenhalten! Abgesehen davon würde dir eine Wurmkur bestimmt gut tun.“
„Danke, Katze!“, mümmelte das Sternbild Hase. „Sehr aufmerksam von dir! Wär’ aber nicht nötig gewesen – der Kläffer will doch nur spielen.“
„Moment mal“, mischte ich mich nun in die gesellige Plauderrunde ein, „soll das heißen, dass wir ganz umsonst quer durch die Galaxis gereist sind?“
„Umsonst geht nur per Anhalter. Die Spritpreise für Tierkreise sind heutzutage astrologisch hoch“, witzelte die Katze. Dann schnurrte sie: „Seid ihr nun sauer? Ich freue mich jedenfalls sehr über euren Besuch. Hier oben passiert ja nicht viel. Und Kometenjagen ist auf Dauer ziemlich langweilig.“
„Nehmt es ihr nicht übel“, seufzte der Große Hund. „Sie hat immer nur Unfug im Kopf. Liegt wohl an der kosmischen Strahlung.“
Die Sternenkatze schmollte, wir anderen schmunzelten und mit einem „Wuffi, Galápagos!“ reisten MauMau, Türülü und ich zurück zur Erde.
Am nächsten Abend lagen wir gemeinsam auf der Wiese und betrachteten den Sternenhimmel. MauMau winkte dem Sternbild Katze zu und grinste dabei von einem Ohr zum anderen.
„Was meinst du, Bonolino“, Türülü beäugte misstrauisch den schwarzen Stubentiger, „hat MauMau auch etwas von der komischen Strahlung abbekommen?“