Bonolino und die Liebe
Urlaub auf Balkonien. Oder besser gesagt: in Gardenien. Die wärmste Zeit des Jahres verbrachte ich dösend in meinem Planschbecken „Tümpel“ im Schatten eines Apfelbaums. Die Sonnenblumen lächelten mir zu, Türülü hielt die Fliegen fern, Knabber machte eine Kneippkur in einer wassergefüllten Auflaufform und MauMau lackierte sich die Fußkrallen in einem hellen Rot.
„Warum tust du das?“, fragte ich sie träge.
„Es ist entspannend. Besser Zinnober gemalt als gemacht.“
„Von wegen“, krähte Türülü. „Sie hat heute Abend eine Verabredung mit Wildkater Ratz.“ Knabber kicherte.
„Wer im Glasvogelhaus sitzt …“, antwortete MauMau gelassen. „Ich habe gesehen, dass du dir gestern für das Amselfräulein Merle das Gefieder geputzt hast!“ Türülü plusterte sich empört auf.
„Du meine Güte! Seid ihr denn alle verliebt?“, rief ich überrascht. „Was ist mit dir, Knabber?“ Knabber hielt im Wassertreten inne und druckste verlegen rum.
„Ich sag nur Lissie“, schmunzelte MauMau. „Nettes Eichhörnchen-Mädel, aber Pixie macht ihr ebenfalls den Hof.“
„Pah! Pixie hat bei Lissie keine Chance“, grinste Knabber und sprang fröhlich im Wasser herum. „Lissie und ich haben schon gemeinsam Pistazieneis gegessen und Haselnüsse aus Bonolinos Vorratskammer stibitzt.“
So war das also. Die Welt war voller rosaroter Herzchen und ich hatte nichts davon mitgekriegt. Vielleicht sollte ich mich auch nach einer Freundin umschauen? Aber könnte jemand ein dickes, blaues Nilpferd gernhaben? Unsicher blickte ich an mir herab. Und wie sollte ich ein Nilpferd-Mädchen überhaupt kennenlernen?
„Übers Internet“, zwitscherte Türülü. Es gibt da Freundschaftsportale für Tiere. Zum Beispiel FinkScout, Starship, eSperling und so weiter.“
„Aber die sind doch alle auf Singvögel spezialisiert“, sagte MauMau.
„Na ja, ElitePanther wäre auch nicht viel passender“, antwortete Türülü und zuckte mit den Flügeln.
„Alles Quatsch! Bonolino braucht keine Portale. Er schießt ein paar Selfies und die schicken wir dann per AniMail (E-Mails für Tiere) rund um die Welt. Mal sehen, wer sich alles meldet“, rief Knabber. Und so wurde es gemacht. Mit einer Handykamera ausgerüstet, machte ich von mir Fotos in allen Lebenslagen: Bonolino bei der Gartenarbeit, im Freiluftbüro, beim Marmeladeeinkochen, Staubwedeln, Briefeschreiben, Zeitunglesen, Vögelfüttern, Seilhüpfen, Kartoffelschälen und Bleistiftspitzen. Dank Knabber gab es noch ein Schnarchfoto in meinem Planschbecken und eines, auf dem ich mir die Zehennägel schnitt. Ich war mächtig gespannt, ob jemand und falls ja, wer mir schreiben würde.
Die Antworten fielen recht … ich sag mal ... ungewöhnlich … aus. Zunächst erhielt ich eine Mail von einer Nashorndame. Sie schrieb, dass sie zwar eigentlich nach Nashörnern Ausschau halten würde, diese aber in der Regel nicht sehr vermögend wären, während mir als Gesundheitsbotschafter doch sicher ein stattliches Einkommen zur Verfügung stünde. Weit gefehlt! Ich nenne nur ein Gartenhäuschen mein eigen. Mit einer kleinen, aber feinen Bibliothek, einem Freiluftbüro, einem Gewächshaus, einem Planschbecken, einem Garten, einer Sternwarte … Kurz gesagt: Ich lebe in bescheidenen Verhältnissen.
Eine Stechmücke fragte an, ob ich blaues Blut besäße. Bei freier Kost und Logis wäre sie bereit, mit ihrer gesamten adeligen Sippschaft bei mir einzuziehen. Na dann prost Mahlzeit!
Am erstaunlichsten war die Zuschrift einer Pflanze. Das Blaue Fettkraut gab mir zu verstehen, dass wir wie für einander geschaffen seien. Wegen der Farbe und so. Hmmpfff! Komplimente gehen anders! Ich könnte sie doch in einem Töpfchen auf meinen Schreibtisch stellen. Sie würde mir dann bei der Arbeit Gesellschaft leisten, Staub und Fliegen fangen sowie meine zahlreichen Rechtschreibfehler korrigieren. Abgesehen davon sei sie eine rechtschaffene Heilpflanze. Ich war überhaupt nicht der Ansicht, dass wir zusammenpassen würden – schließlich ist die Dame Fleischfresserin und ich ein überzeugter Vegetarier! Von meinem lädierten Selbstbewusstsein ganz zu schweigen. Blau und fett … wie unhöflich! Meine Freunde fanden das ziemlich lustig.
„Sei froh, dass sich kein Blaugestiefelter Schleimkopf bei dir gemeldet hat“, lachte MauMau.
„Iiiiiih, was ist das denn?“
„Der Pilz des Jahres 2010. Man bezeichnet ihn auch als Schleiereule. Das habe ich auf unserer letzten Ratzafari gelernt.“ So nannte MauMau ihre Wald- und Wiesenstreifzüge mit dem Wildkater Ratz.
„Äääh, ja. Da sollte ich wohl erleichtert sein.“ Es erschien mir ziemlich schwierig, sich in Schleimköpfe oder pilzige Schleiereulen zu verlieben. Zumindest, wenn man ein Nilpferd ist.
Ich gebe zu, dass ich ein wenig entmutigt war. Meine Bemühungen, eine Freundin zu finden, waren gründlich fehlgeschlagen. Vielleicht ist das Internet dafür doch nicht das geeignete Medium.
„Du brauchst doch eigentlich gar keine Freundin“, rief Türülü. „Du hast doch uns!“
„Stimmt! Kumpels und Kumpeline! Wir lieben dich genau so, wie du bist“, meinte MauMau.
„Für uns brauchst du weder eine Diät zu halten noch den Bauch einzuziehen!“, lachte Knabber.
Was soll ich sagen? Die drei hatten Recht! Lieber die Zeit mit wahren Freunden verbringen, als sie mit fragwürdigen Bekanntschaften zu vergeuden. Außerdem fühlte ich mich genau genommen ganz wohl so. Und wer weiß? Sollte die große Liebe doch mal an meine Tür klopfen, kann ich sie ja immer noch in mein Herz lassen.
Und nun muss ich noch geschwind die E-Mail lesen, die eben gerade eingetrudelt ist. Sie stammt von einer Zwergnilpferd-Dame namens Mimi …