Bonolino und Rosetta

Am Wochenende hatte ich auf Einladung eines englischen Freundes, Rotkehlchen Sir Robin, das Britische Museum in London besucht. Eine ganz wunderbare Einrichtung! Besonderen Eindruck hat bei mir der Stein von Rosetta mit seiner dreisprachigen Inschrift hinterlassen, denn mit dessen Hilfe war es einem französischen Sprachforscher im 19. Jahrhundert erstmals gelungen, ägyptische Hieroglyphen zu entschlüsseln.

Nun war ich wieder nach Hause zurückgekehrt und döste friedlich in meinem Planschbecken, nachdem ich mit meinen Freunden die Pyramiden von Gizeh im Sandkasten nachgebaut hatte. MauMau grub derweil einen künstlichen Nil in den Sand, flutete ihn mit der Gießkanne und ließ ein Quietscheentchen mit Katzengesicht den Fluss entlangschwimmen.

„Das ist die Göttin Bastet“, erklärte MauMau, „und sie durchschwimmt nun ihr Reich von Abu Simbel bis zum Delta des Nils.“ Hö? Hieß die Katzenente nicht gestern noch Schnurri?

„Und ich bin Horus, der Falkengott“, rief Türülü und landete auf der Nilinsel Philae.

„Einen Hörnchengott gibt's wohl nicht“, brummte Knabber missmutig. Dann hellte sich seine Miene wieder auf. „Als Obergott Nussiris müssen alle anderen mir gehorchen!“

„Der heißt Osiris!“, mokierte sich Türülü.

„Mir egal. Ich bin der Chef hier.“ Mit einem Satz sprang Knabber auf die Chephren-Pyramide, die bei der Aktion erheblichen Schaden nahm.

Knabber springt als Obergott Nussiris auf die Chephren-Pyramide aus Sand

MauMau kicherte: „Wer hätte gedacht, dass ein Eichhörnchen für den Untergang der altägyptischen Kultur verantwortlich ist. Die Geschichtsbücher müssen neu geschrieben werden!“ Knabber grunzte und eroberte anschließend die Cheops-Pyramide.

Aufgrund der sommerlichen Wärme sank ich nach einer Weile in tiefen Schlummer und das Reich der Träume öffnete seine Pforten. Ich surfte auf dem Stein von Rosetta durch die Weiten des Weltalls, statt eines Astronautenhelms trug ich einen prächtigen Pharaonen-Kopfputz. Plötzlich veränderte sich mein Gefährt und ich saß auf einer Raumsonde, die auf einen quietscheentchenförmigen Kometen zuhielt. Kurz bevor wir den Kometen erreichten, stieß die Sonde eine merkwürdige Kiste ab. Womöglich ein Sarkophag. Ich befragte den Bordcomputer und erhielt die Antwort, dass es sich bei der Kiste um einen Lander namens Philae handele. Meine Verwirrung wuchs ins Unermessliche. Auf nochmaliges Nachfragen antwortete mir die Sonde, dass sie unterstützt vom Lander dabei sei, das Quietscheentchen zu untersuchen. Eine Art Land-Tierarzt? Schweißgebadet wachte ich auf.

Bonolino fliegt auf der Raumsonde Rosetta durch das All

„Was ist denn los, Bonolino?“, fragte Knabber und zuckte besorgt mit dem Schwanz. Die Mykerinos-Pyramide erfuhr dabei ein jähes Ende. Ich berichtete meinen Freunden von meinem Traum, der mir vollkommen rätselhaft und verworren erschien.

MauMau lachte. „Bonolino, der Ägyptonaut. Mit deinen Raumfahrerqualitäten solltest du dich bei der ESA bewerben.“

„Hö?“

„Der Europäischen Weltraumorganisation.“

Natürlich! Die Rosetta-Mission! Die Erforschung eines Kometen aus größter Nähe, bei der die Muttersonde Rosetta die Landeeinheit Philae auf „Tschuri“ abgesetzt hat! Wir hatten doch alles am Fernseher mitverfolgt! Wie konnte ich das vergessen? Peinlich, peinlich. Ich beschloss dem ESOC, dem ESA-Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt, wo die Rosetta-Mission gesteuert wird, bei Gelegenheit einen Besuch abzustatten. Und natürlich auch dem Europäischen Astronautenzentrum (EAC) in Köln. Vielleicht könnte ich ja tatsächlich Astronaut werden ...

„Dann solltest du aber Altertum und Moderne nicht mehr durcheinanderbringen“, meinte Türülü. „Lass uns zur Vorbereitung Raum, Zeit, Fluss spielen.“

„Sand, Land, Fluss!“, rief Knabber. „Zuerst müssen wir meine Pyramiden wiederaufbauen!“


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