Bonolino und das Christkind

Schneeflöckchen rieselten wie kleine Wattebäusche vom Himmel, Eisblumen bevölkerten in bizarren Formen die Fenster. Der Winter hatte Einzug gehalten und trieb mich mitsamt meinem Planschbecken in ein beheiztes Gartenhäuschen, das eigens für mich errichtet worden war.

Auch MauMau, Knabber und Türülü waren vor der Kälte in mein neues gemütliches Heim geflüchtet. Während die kleine schwarze Katze auf dem warmen Ofen vor sich hin schnurrte und das Eichhörnchen Haselnüsse aus der Plätzchenschale mopste, um sie in Pantoffeln, Blumentöpfen und Schubladen zu verstecken, stolzierte das Amselmännchen mit aufgeplustertem Gefieder über die Fensterbank.

„Früher hätte es das nicht gegeben – Amseln und Eichhörnchen in der warmen Stube! Wir sollten uns was schämen, Knabber! Wir sind doch Wildtiere!“, zwitscherte Türülü und klopfte mit dem Schnabel gegen die Fensterscheibe.

„Wiesoooooo?“ Knabber war gerade in einen Gummistiefel gerutscht und man sah nur noch den Schwanz wild hin und her zucken. „MauMau und Bonolino sind ja auch drinnen. Brauchen die sich nicht zu schämen?“

MauMau öffnete ein Auge und gähnte herzhaft. „Ich bin ja auch eine Hauskatze und kein Schneeleopard. Sieht man doch an der Farbe. Und von einem wilden Tier kann man bei Bonolino nun wirklich nicht sprechen.“

MauMau schläft zufrieden auf ihrem Kissen

Mein erster Impuls war, mich lautstark zu beschweren, dann besann ich mich aber eines Besseren und zog Knabber aus dem Gummistiefel. „Wir sind eben ganz besondere Tiere. Schließlich können wir sprechen!“, gab ich zu bedenken, „da scheinen mir eine behagliche Kammer und regelmäßige Mahlzeiten durchaus angebracht.“

„Ganz deiner Meinung! Aber können denn nicht alle Tiere sprechen?“, fragte Knabber und sprang in den mit Strohsternen, Glaskugeln und Lametta geschmückten Gummibaum, der bei der Aktion bedrohlich ins Schwanken geriet.

„Eigentlich schon. Allerdings können die Menschen Tiere normalerweise nur in einer einzigen Nacht des Jahres verstehen: in der Weihnachtsnacht!“ MauMau blickte bedeutungsschwer in die Runde und genoss den Anblick der überraschten Gesichter.

„Das ist ja heute Nacht“, rief Türülü aufgeregt, „heißt das, dass das Christkind uns am Heiligabend versteht und auch unsere Wünsche erfüllt?“

„Hmmm … wer weiß? Aber dann müssen wir jetzt ganz schnell einen Wunschzettel erstellen, damit es erfährt, was wir gerne hätten“, antwortete ich und suchte auf meinem Schreibtisch nach Papier und Bleistift.

„Schade, dass wir nicht die E-Mail-Adresse des Christkinds kennen“, seufzte Knabber, „dann würde der Postbote mit den Geschenken bestimmt schneller vor der Tür stehen.“

„Das Christkind versendet nichts mit der Post – es kommt persönlich vorbei“, gab ich lächelnd zur Antwort. „Und nun teilt mir eure Wünsche mit, damit ich sie aufschreiben kann.“

Nacheinander gaben alle ihre Wünsche preis und zuletzt notierte ich meinen dazu. Anschließend hängten wir den Wunschzettel draußen an meine Haustür.

Wieder im Warmen, drückten wir unsere Nasen an den kalten Fensterscheiben platt, schauten in die verschneite Weihnachtsnacht hinaus und warteten gemeinsam aufs Christkind. Aber das Christkind kam nicht. Irgendwann wurden wir müde und legten uns alle schlafen. In dieser Nacht träumte ich, dass das Christkind Zimtsterne am Himmel zum Leuchten brachte, Monde in Form von Vanillekipferln um die Wette strahlten und kein Kind und kein Tier auf dieser Welt mehr hungern oder frieren musste.

Als ich am nächsten Morgen in festlicher Stimmung aufwachte, bot sich mir ein erstaunliches Bild. Türülü saß in einer großen Schale mit Rosinen und flatterte aufgeregt mit den Flügeln, Knabber begutachtete strahlend ein Säckchen, das mit den verschiedensten Nüssen gefüllt war und MauMau spielte vergnügt mit einer katzenminzigen Spielzeugmaus. Und mein Planschbecken war voller leckerer Äpfel, die nun über mich hinwegpurzelten, als ich mich aufsetzte. Unsere Wünsche hatten sich alle erfüllt – das Christkind war dagewesen … Fröhliche Weihnachten!

Bonolinos einegschneites Gartenhäuschen


Weblinks: Wikipedia


Seite ausdrucken